Warum tun sich Führungskräfte mit Lean & Co. schwer?

Warum

Wenn man (sich) diese Frage stellt, muss man besonders darauf achten, dass in dem Warum kein versteckter Vorwurf steckt. Das gilt natürlich besonders, wenn man sich als Führungskraft von Führungskräften diese Frage stellt, aber unter Umständen auch, wenn man sich selbst diese Frage stellt und auf die eigene Führungsrolle abbildet.

Falls hier der genannte Vorwurf mitschwingen könnte – und hier kommt es nicht auf die Intension des Senders an, sondern auf den Eindruck, der beim Empfänger entsteht – kann daraus sehr leicht das Bestreben der offenen oder versteckten Rechtfertigung entstehen. In vielen Fällen geht diese Rechtfertigung mit Widerständen einher, sie folgt ihnen oder verstärkt sie. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rechtfertigung als solche auf einer oder beiden Seiten der Kommunikationspartner nicht wahrgenommen wird.

So viel erstmal zur Vorrede, was sind nun mögliche Gründe dafür? Bisher sind mir in meiner Praxis folgende Ursachen/Gründe begegnet.

Sorgen oder Bedenken wg. neuen Anforderungen auf der Kompetenzebene

Diese Sorge ist oft darin begründet, dass plötzlich nicht mehr die fachlichen Kompetenzen im Vordergrund stehen, aufgrund deren oft der Weg in die Führungsposition eingeschlagen wurde. Das gilt sowohl für den Erwerb der fachlichen Kompetenzen in einem Studium oder einer Ausbildung, als auch für den begleitenden Erwerb im Berufsleben. In vielen Fällen handelt es sich dabei greifbare Kompetenzen, die auf einem klassischen Methodenkonzept dieser Ausbildung basieren.

Interessanterweise sind die Widerstände nicht selten besonders ausgeprägt, wenn (richtigerweise) bei der konkreten Umsetzung von Lean & Co. nicht die methodischen und Werkzeugaspekte im Vordergrund stehen, sondern viel Wert auf die zugrundeliegenden Prinzipien bis hinzu philosophischen Aspekten gelegt wird. In diesem Fall sind die Übergänge zum zweiten Punkt dann fließend bzw. treten beide Punkte in Kombination auf und verstärken sich dadurch noch.

Sorgen oder Bedenken wg. der Veränderung der Führungsrolle

Neben der oben genannte Fachkompetenz darf man auch Aspekte wie Macht durch die Führungsrolle nicht unterschätzen, sei es, weil sie ausgelebt werden will oder weil man sich als Führungskraft einfach nur daran gewöhnt hat.

Im Lean-Kontext ist dagegen auch die (fachliche) Kompetenz der Mitarbeiter gefragt, sie stehen als die wahren Fachleute sogar im Vordergrund. Das gilt dann auch für Entscheidungskompetenzen im Rahmen von Verbesserungen, bspw. bei den Ursachen von Problemen und der Auswahl möglicher Lösungen dafür.

Der Führungskraft kommt in diesem Kontext dann mehr die Rolle eines Unterstützer zu, nicht nur in der Problemlösung sondern auch in der Entwicklung der Mitarbeiter. Das sind einerseits Veränderungen im Selbstverständnis der Führungskraft aber eben auch auf der Kompetenzebene, wenn plötzlich die sogenannte Softskills in den Vordergrund rücken. Das muss gar nicht mal die oft genannte Coaching-Kompetenz sein, manchmal ist es auch „nur“ die Fähigkeit Fragen zu stellen, zur Unterweisung, zur Schaffung guter Arbeitsbeziehungen und eben zur Verbesserung. Im Kern sind das die drei Bedürfnisse von Führungskräften, die das Training Within Industry adressiert. [1]

„Vertrauen bedeutet den ersten Schritt zu tun, auch wenn Du die Treppe noch nicht ganz sehen kannst.“

– Martin Luther King

Sorgen oder Bedenken wg. der zeitlichen Anforderungen

Typischerweise gehen die beiden vorgenannten Punkte auch mit zusätzlichen zeitlichen Anforderungen einher, entweder real oder in der Wahrnehmung der Betroffenen. Dann fallen gerne Sätze wie „um was soll ich mich denn noch alles kümmern?“ oder „wann soll ich das denn alles machen?“.

Oft ist diese Hürde darin begründet, dass Optimierungsaktivitäten ausschließlich als Teil der Führungsverantwortung betrachtet wird, die Mitarbeiter nicht entsprechend einbezogen werden, keine Entlastung in der Startphase berücksichtigt und spätere Zeitersparnis zur bloßen Kostensenkung in Form des Abbaus von Arbeitsplätzen genutzt wird.

Der bessere Weg ist es, die Mitarbeiter mit dem größten Potenzial schrittweise vom Tagesgeschäfts zu entbinden und auf diesem Weg sowohl Reize für Verbesserungen zu schaffen, als auch dann freiwerdende Kapazitäten selbstverstärkend zu nutzen.

Sorgen oder Bedenken über die berufliche Zukunft

Ein nicht zu unterschätzender Anteil dieser Bedenken liegt in der Vergangenheit begründet, als Lean & Co. initial vor allem dazu genutzt wurde, Führungsebenen wegfallen zu lassen und Führungsspannen zu vergrößern. Selbst wenn dies heute nicht mehr der Fall sein sollte, hat sich diese Ausrichtung in der Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis von Organisationen festgesetzt. Dies gilt insbesondere in gewerkschaftlich organisierten Unternehmen und es ist mit erheblichem Aufwand verbunden, dieses einmal verlorene Vertrauen wiederzugewinnen.

Gleichzeitig tragen die vorangegangenen Punkte auch verstärkend zu diesem Punkt bei. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, in die Weiterentwicklung aller Personen im Unternehmen sichtbar zu investieren, weil es sich dabei auch um vertrauensbildende Maßnahmen handelt und somit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.

Auf jeden Fall müssen die genannten Bedenken erstgenommen werden, gerade wenn sie nicht offen geäußert werden. Eine „Politik“ der offenen Tür seitens der Geschäftsleitung hat immer eine positive Wirkung. Diese kann noch verstärkt werden, indem die Mitglieder der Geschäftsleitung ihrerseits die manchmal rein zeitlich abgeschotteten Refugien verlässt und die aktive und regelmäßige Kommunikation mit den Führungskräften vor Ort auf allen Ebenen sucht und sich auch an Maßnahmen beteiligen, ohne dabei eine direkte Führungsrolle zu übernehmen aber durch die bloße Präsenz die Bedeutung unterstreichen.

[1] Training Within Industry

Wenn Sie wissen möchten, wie die Elemente von Training Within Industry unterstützend bei der Einführung und Pflege von Lean & Co. wirken, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Akzeptanz von Lean & Co. unter den Führungskräften gemacht? Welche Ursachen konnten Sie ausmachen? Wie sind Sie mit den Bedenken umgegangen?

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